Augsburger Reichs- und Religionsfrieden

Detail der Vertragsurkunde mit der Unterschrift und dem Siegel Kaiser Ferdinands I.
Augsburg: Die beiden Türme der evangelischen (im Vordergrund) und der katholischen Ulrichskirche stehen für den Religionsfrieden in der Stadt.

Als Augsburger Reichs- und Religionsfrieden (oft kurz Augsburger Religionsfrieden) wird ein Reichsgesetz des Heiligen Römischen Reichs bezeichnet, das den Anhängern der Confessio Augustana (eines Bekenntnistextes der lutherischen Reichsstände) dauerhaft ihre Besitzstände und freie Religionsausübung zugestand. Das Gesetz wurde am 25. September 1555 auf dem Reichstag zu Augsburg zwischen Ferdinand I., der seinen Bruder Kaiser Karl V. vertrat, und den Reichsständen geschlossen.[1]

Der Augsburger Reichsabschied setzt sich aus zwei großen Teilen zusammen: den Regelungen, die ausschließlich das Verhältnis der Konfessionen bestimmten (Augsburger Religionsfrieden, §§ 7–30), und denjenigen, die allgemeinere politische Beschlüsse festsetzten (Reichsexekutionsordnung, §§ 31–103).[2]

Mit dem Augsburger Friedenswerk wurden erstmals durch reichsrechtliche Beschlüsse die grundlegenden Bedingungen für eine friedliche und dauerhafte Koexistenz von Luthertum und Katholizismus im Heiligen Römischen Reich Deutscher Nation festgesetzt.[3][4] Dazu zählten einerseits eine weitgehende Verwirklichung der Parität der Konfessionen durch den Gleichheitsgrundsatz, andererseits die implizite Verkündung eines Landfriedens, denn „in währender Spaltung der Religion ein ergäntzte Tractation und Handlung des Friedens in beeden, der Religion, prophan und weltlichen Sachen, nicht fürgenommen wird“ (§ 13 des Reichsabschiedes).[5] Außerdem verdrängte der Augsburger Reichs- und Religionsfrieden die Idee des universalen christlichen Kaisertums, wobei die Vorstellung einer eventuellen späteren Wiedervereinigung der beiden Konfessionen nicht ausgeschlossen wurde.[6] Im Allgemeinen wird der Augsburger Religionsfrieden als vorläufiger Abschluss des Reformationszeitalters in Deutschland angesehen, das 1517 durch Martin Luther initiiert worden war.[7]

Nach langwierigen Verhandlungen einigte man sich auf das ius reformandi: Vermittels der (nachträglich eingeführten) Formel Cuius regio, eius religio ermächtigte der Augsburger Religionsfrieden den jeweiligen Landesherrn dazu, die Religion seiner Untertanen zu bestimmen; letzteren hingegen wurde mit dem ius emigrandi das Recht eingeräumt, ihr Land zu verlassen. Neben diesen einfachen und leicht verständlichen Grundregelungen befanden sich bei näherer Betrachtung jedoch auch komplizierte Sonder- und Ausnahmeregelungen im Kontrakt, die nicht selten in sich widersprüchlich waren und den Religionsfrieden dadurch zu einem verwirrenden und komplizierten Vertragswerk machten. Daraus resultierten in der Folgezeit zahlreiche theologische Kontroversen, die insbesondere im Zuge der zunehmenden Verschärfung der Konfliktlage ab den 1570er Jahren ihren Höhepunkt erreichten.[8]

Bezüglich der langfristigen Folgen des Augsburger Religionsfriedens lässt sich daher feststellen, dass er zwar einerseits in manchen konfessionellen und politischen Sachverhalten rechtliche Klarheit schuf, wodurch er eine der längsten Friedensperioden im Reich (von 1555 bis 1618) einläutete; andererseits bestanden jedoch einige Probleme unterschwellig fort, andere wiederum wurden sogar erst durch Unklarheiten, Widersprüche und Komplikationen neu geschaffen. Zusammen trugen diese zur Vergrößerung des konfessionellen Konfliktpotenzials bei, das 1618 gemeinsam mit den latenten politischen Ursachen zum Ausbruch des Dreißigjährigen Krieges führen sollte.[9]

  1. Gerhard Ruhbach: Augsburger Religionsfrieden. In: Helmut Burkhardt, Uwe Swarat (Hrsg.): Evangelisches Lexikon für Theologie und Gemeinde. Band 1. R. Brockhaus Verlag, Wuppertal 1992, ISBN 3-417-24641-5, S. 157.
  2. Der Große Ploetz. Die Enzyklopädie der Weltgeschichte, 35., völlig neu bearbeitete Auflage. Vandenhoeck & Ruprecht, Göttingen 2008, ISBN 978-3-525-32008-2, S. 888 f.
  3. Georg Schmidt: Der Dreißigjährige Krieg. Beck, München 2003, S. 17.
  4. Helmut Neuhaus: Der Augsburger Religionsfrieden und die Folgen: Reich und Reformation. In: Zeitverlag Gerd Bucerius (Hrsg.): DIE ZEIT Welt- und Kulturgeschichte in 20 Bänden. Band 8, S. 214: „Mit ihm wurde reichsrechtlich auf Dauer das Nebeneinander beider Konfessionen […] geregelt […]“
  5. Der Augsburger Reichsabschied („Augsburger Religionsfrieden“) im Volltext. Abgerufen am 7. März 2018.
  6. Axel Gotthard: Vom Schmalkaldischen Krieg zum Augsburger Religionsfrieden: Die Durchsetzung der Reformation. In: Zeitverlag Gerd Bucerius (Hrsg.): DIE ZEIT Welt- und Kulturgeschichte in 20 Bänden. Band 8, S. 203: „[…] die Utopie einer Wiedervereinigung der Konfessionen wurde nicht preisgegeben, aber für den Moment doch hintangestellt.“
  7. Johannes Arndt: Der Dreißigjährige Krieg 1618–1648. Reclam Sachbuch, Stuttgart 2009, S. 30: „Der Augsburger Religionsfriede schloss das Zeitalter der Reformation ab, […].“
  8. Axel Gotthard: Vom Schmalkaldischen Krieg zum Augsburger Religionsfrieden: Die Durchsetzung der Reformation. In: Zeitverlag Gerd Bucerius (Hrsg.): DIE ZEIT Welt- und Kulturgeschichte in 20 Bänden. Band 8, S. 203: „Der Religionsfrieden ist ein sehr schwieriger Text, viele diffizile Auslegungsfragen haben später das Verhältnis der Konfessionen zueinander belastet. […] Die Grundgedanken des Religionsfriedens sind, wie gesagt, einfach und klar. Der Teufel steckte im Detail. Aber das sollten erst spätere Generationen schmerzlich erfahren.“
  9. Johannes Arndt: Der Dreißigjährige Krieg 1618–1648. Reclam Sachbuch, Stuttgart 2009, S. 30: „[…], indem er bestimmte politische und konfessionelle Probleme löste. Andere Probleme bestanden fort und trugen zu Ausbruch und Verlauf des Dreißigjährigen Krieges bei.“

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